Das Horoskop

Herr K. bat Leute, die sich Horoskope stellen ließen, ihrem Astrologen ein Datum in der Vergangenheit zu nennen, einen Tag an dem ihnen ein besonders Glück oder Unglück geschehen war. Das Horoskop mußte es dem Astrologen gestatten, das Geheimnis einigermaßen festzustellen. Herr K. hatte mit diesem Rat wenig Erfolg, denn die Gläubigen bekamen zwar von ihren Astrologen Angaben über Ungunst oder Gunst der Sterne, die mit den Erfahrungen der Frager nicht zusammenpaßten, aber sie sagten dann ärgerlich, die Sterne deuteten ja nur auf gewisse Möglichkeiten, und die konnten ja zu dem angegebenen Datum durchaus bestanden haben. Herr K. zeigte sich durchaus überrascht und stellte eine weitere Frage.
"Es leuchtet mir auch nicht ein", sagte er, "daß von allen Geschöpfen nur die Menschen von den Konstellationen der Gestirne beeinflußt werden sollen. Die Kräfte werden doch die Tiere nicht einfach auslassen. Was geschieht aber, wenn ein bestimmter Mensch etwa ein Wassermann ist, aber einen Floh hat, der ein Stier ist, und in einem Fluß ertrinkt? Der Floh ertrinkt dann vielleicht mit ihm, obwohl er eine sehr günstige Konstellation haben mag. Das gefällt mir nicht."


Bertolt Brecht in: "Geschichten vom Herrn Keuner".


Was mir darüber hinaus nicht gefällt

Es behagt mir zwar überhaupt nicht, beim ersten Kennenlernen in ein Sternzeichen gesteckt zu werden. Schon gar nicht, wenn man mich daraufhin gleich noch bezüglich meiner Passung in einer möglichen Zweierbeziehung überprüft.
Aber ich halte es immerhin für möglich, daß es schwache Korrelationen zwischen den "Sternzeichen" (im Sinne der Geburt in einer bestimmten Jahreszeit) und den Grundcharakteren von Menschen geben könnte. Es könnte ja durchaus sein, daß die Geburt im strahlenden Sommer oder im knackig kalten Winter in einer frühen Prägungsphase die seelische Entwicklung eines Menschen nachhaltig beeinflußt, zumal auch die seelische Verfassung der Bezugspersonen sich im Laufe des Jahres leicht ändert.
Jedoch ist dies erstens nur einer von vielen Einflußfaktoren. Zweitens wäre damit kaum ein Tages-Horoskop nach 20 Lebensjahren zu begründen. Und wer drittens dies doch zumindest als Hinweis auf die grundsätzliche Plausibilität der Astrologie werten wollte, möge bitte zur Kenntnis nehmen, daß die Zuordnungs-Zeiträume für Menschen auf der Südhalbkugel entsprechend der vertauschten Jahreszeiten abgewandelt werden müßten und daß dort viele der europäischen Sternzeichen überhaupt nie am Himmel sichtbar sind.
Das gefällt mir nicht...